Wir erleben aktuell besondere Zeiten der mehrfachen Disruption. So wird künstliche Intelligenz fundamental nicht nur Technologie, sondern auch die Arbeit wandeln. Wie gut uns dabei die Transformation gelingt, hängt auch von unseren Vorgehensweisen bei der Adoption, Adaption und Transformation ab. Worüber sprechen wir da aber eigentlich? Laut Wikipedia bedeutet Adoption:
„In computing, adoption means the transfer (conversion) between an old system and a target system in an organization (or more broadly, by anyone). If a company works with an old software system, it may want to use a new system which is more efficient, has more work capacity, etc. So then a new system needs to be adopted, after which it can be used by users.“
Sieht man es ganzheitlicher, geht es über die eher ‚technische‘ Einführung von Software hinaus, um eine möglichst umfassende Akzeptanz und Produktivität von Nutzern und Nutzerinnen hinsichtlich digitaler Werkzeuge zu erzielen. Wie immer kommt es dabei eigentlich auf die diversen Perspektiven der Stakeholder an:
Das sind alles Wünsche oder Projektionen, die es jenseits der rein technologischen Perspektive zu berücksichtigen gilt, besonders auch für Anwendungen generativer künstlicher Intelligenz. Gerade hier sind jedoch die Akzeptanz sowie produktive Nutzung zentral. Denn bei der Einführung und Nutzung von KI schwingen viele Ängste mit – sie erstrecken sich von Dystopien wie der Auslöschung der Welt über Unsicherheit bis hin zur Angst vor einem individuellen Job- und Relevanzverlust. Daher soll hier Adoption auch erweitert als Reifungsprozess über die technische Nutzung oder Prozessoptimierung hinaus verstanden und auch aus ‚menschlicher Perspektive‘ analysiert werden.
Ich habe dafür im Rahmen der Digital Adoption Blogging Challenge in Anlehnung an Maslow schon unterschieden zwischen klassischer Adoption als Nutzung bis hin zur begeisterten Nutzung.
In dem genannten Beitrag wurde beschrieben, dass wir vor allem mit den obersten Stufen das engere Verständnis von Adoption nicht nur ‚affektiv‘ erweitern, sondern vor allem auch beim Grad der Reifung in Richtung Adaption und Transformation, denn am Ende wollen wir jetzt auch bei der Künstlichen Intelligenz mehr erreichen als nur eine leidenschaftslose Nutzung von Tools. Im Idealfall wird eine technologische Chance umfassend in die eigene Wertschöpfung integriert bis hin zur begeisterten Transformation von Wertschöpfung – d.h. Prozesse, Geschäftsmodelle, Rollen bis Aufgaben neu denken.
Auf Basis dieser generellen Reflektionen zur Adoption, Adaption und Transformation wollen wir nun die KI-Transformation und KI-Adoption beleuchten. Wesentlichen Erfolgsbausteine sind jenseits der rein technologischen Fragen wie üblich Kommunikation, Einbindung, klare Ziele, Leitplanken, Lernangebote, Verstehen der Widerstände, Motivationen, Interessen und andere Ansätze – also Bausteine die man generell aus dem Change Management kennt. Sie sind essenziell, um Ängsten oder Widerständen, wie sie aktuell im Kontext KI entstehen, zu begegnen.
Im Folgenden versuche ich etablierte Modelle neu zu kontextualisieren für die jetzt anstehende KI-Transformation. Natürlich sind auch andere Klassiker auch im neuen Kontext hilfreich. Hier seien beispielhaft einige vorgestellt:
Im Folgenden versuche ich etablierte Modelle neu zu kontextualisieren für die jetzt anstehende KI-Transformation. Natürlich sind auch andere Klassiker im neuen Kontext hilfreich. Hier seien beispielhaft einige vorgestellt:
Ein vereinfachtes Modell ist das des Sollen, Können, Dürfen und Wollen:
Das Diffusionsmodell von Everett Rogers beschreibt, wie Innovationen in einer Organisation aufgenommen und verbreitet werden. Es identifiziert fünf Typen von Menschen (Innovatoren, frühe Adopter, frühe Mehrheit, späte Mehrheit, Nachzügler) und deren unterschiedliche Bereitschaft zur Technologieannahme. Für die Nutzung und Akzeptanz von generativer Künstlicher Intelligenz im Unternehmen weist es auf die Notwendigkeit hin, die Mitarbeitende über die Technologie zu informieren, zu schulen und fortlaufende Unterstützung anzubieten. Dazu passt das nächste Modell.
Crossing the Chasm von Geoffrey Moore befasst sich mit der Herausforderung, eine innovative Technologie von einer kleinen Gruppe früher Adopter zu einer breiten Mehrheit zu vermitteln. Es empfiehlt, sich auf eine spezifische Zielgruppe zu konzentrieren und sicherzustellen, dass die Technologie an sich ändernde Kundenerwartungen angepasst werden kann. Für generative KI bedeutet dies, dass verschiedene Zielgruppen unterschiedlich behandelt werden sollten. So kann man die Early Adopter und Innovatoren als Pilot-Teilnehmer oder als Promotoren nutzen, z.B. für Change Agent Netzwerke oder Coaches.
Die disruptive Innovation von Clayton M. Christensen zeigt, wie neue Technologien alte Prozesse ersetzen, indem sie einfacher und kostengünstiger sind. Die Aktzeptanz von KI im Unternehmen kann dadurch erhöht werden, indem man eine Kultur des Experimentierens und Lernens fördert und KI aktiv in jedem Team einführt, um bestehende Aufgaben und Prozesse zu optimieren oder sogar zu ersetzen.
Das Technologieakzeptanz-modell (TAM) erklärt, wie BenutzerInnen eine neue Technologie annehmen und verwenden, basierend auf ihrer wahrgenommenen Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit. Es unterstreicht die Notwendigkeit, bei der Einführung von generativer KI im Unternehmen deutlich zu machen, wie sie die Arbeit effizienter macht und wie einfach sie zu bedienen ist. Das TAM ist das wohl am besten empirisch untersuchte und erweiterte Modell - so wurden auch weitere beeinflussende Variablen ausdifferenziert wie sozialer Einfluss (Subjektive Norm, Image und Freiwilligkeit) und kognitive Prozesse (Sozialer Einfluss, kognitiv-instrumentelle Prozessvariablen). Neuer Untersuchungen stellen zunehmend das Vertrauen der NutzerInnen in die Technologie als akzeptanzfördernd hervor – gerade bei KI ein zentraler Punkt.
Das ADKAR-Modell ist ein weiteres bekanntes Framework für Change-Management. Es zeigt, wie Individuen erfolgreich Veränderungen durchlaufen können, und kann zur Förderung der Akzeptanz von KI im Unternehmen angewendet werden. Dabei geht es um Awareness (Bewusstsein schaffen), Desire (den Wunsch der Veränderung schaffen), Knowledge (Wissen vermitteln), Ability (Fähigkeiten ausbauen) und Reinforcement (Verstärkung). Es gilt dabei, keines der Elemente zu vergessen bei der Einführung von KI und zeigt, dass Awareness nicht gleich Knowledge oder Ability ist und die Verstetigung durch Verstärkung und kontinuierliche Weiterentwicklung wichtig ist.
Kotters Modell für Leading Change besteht aus acht Schritten zur Schaffung erfolgreicher Veränderungen. Es kann die Akzeptanz von generativer KI fördern, indem es eine strategische Vision und ein Narrativ für die Nutzung der KI und ihrer Vorteile erstellt und kommuniziert, Koalitionen schmiedet, Hindernisse beseitigt und Quick-Wins erreicht.
Die Veränderungskurve nach Kübler-Ross beschreibt die emotionalen Phasen, die Menschen bei Veränderungen erleben. Sie kann bei der Implementierung von generativer KI helfen, indem sie die unterschiedlichen emotionalen Reaktionen der Mitarbeitenden berücksichtigt, um danach Kommunikation und Unterstützung anzupassen. Die Phasen variieren und sind u.a. Vorahnung, Schock, Ablehnung, Verzweiflung im Tal der Tränen, Lernen und Anpassung, Akzeptanz und Integration. Betroffene durchlaufen diese Phasen in unterschiedlicher Geschwindigkeit oder je nach Kontext ganz anders. Es zeigt, dass Emotionen wie Angst, Furcht, Begeisterung, Neid immer bei Veränderungen mitspielen und je nach Stakeholder zu prüfen und zu behandeln sind.
SAP Activate ist eine Methodik zur Implementierung von SAP-Lösungen, in die KI zunehmend eingebettet ist. Es bietet viele Templates und Tools, um SAP-Projekte zu erleichtern. Dabei gibt es u.a. den Workstream ‚Solution Adoption‘, der auf die Bedürfnisse von Change Management als Cross-Topic und Weiterbildung eingeht.
Bei allen Frameworks und Modellen ist es natürlich wichtig, empathisch und intuitiv auch auf die jeweiligen Interessen, Emotionen und Kultur zu reagieren - je danach was eben im Kontext Sinn macht. Auch hilft der Kontext und die Zeit in der Ansätze entstanden sind zur Einordnung und Reflektion. Ein erster Blick auf die englische Change Management Seite von Wikipedia ist dazu schonmals interessant. Die Frameworks sind wie Werkzeugkisten – gut ist, wenn man sie kennt und versteht. Aber im Zweifel eben nicht oder anders benutzt.
Im Folgenden der Versuch einer Zusammenfassung wichtiger Bausteine, speziell für den Bereich der AI-Adoption.
In der nachfolgenden Abbildung findet man angedeutet vier wesentliche Bausteine einer humanzentrierten KI/AI-Adoption jenseits der rein technischen Betrachtung mit einigen wichtigen Stichpunkten dazu inkl. Links für den SAP-Bereich. Auch wenn hier eine gewisse Chronologie wahrscheinlich ist, stehen diese 4 Bausteine hier doch gleichberechtigt ‚nebeneinander‘. Diese wurden auch in der Blogging Challenge zu Digital Adoption im SAP Kontext bestätigt.
Hier sind etablierte Ansätze des agilen humanzentrierten Designs von neuen Lösungen eine wesentliche Basis für den gewünschten Adoption/Adaptions-/Transformationserfolg. Für die Auswahl der geeigneten KI-Szenarien hilft dabei zum Beispiel das SAP Apphaus Toolkit für generative AI – der generative AI Exploration Workshops. Ob Design Thinking, Co-Creation, Experimentieren, agiles Coaching oder andere Ansätze – wichtig ist immer den Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen und von ihm und ihr aus zu denken.
Jenseits der individuellen Perspektive bedeutet eine AI-Adoption Stufen immer auch den Einsatz von Change Management. Dabei ist u.a. Folgendes wichtig:
Klarheit und Nutzen: Vorteile der neuen Technologie müssen klar kommuniziert werden je nach Rolle oder Persona. Mitarbeitende sollten verstehen, wie die Technologie ihre Arbeit effizienter/besser macht.
Vertrauen und einfache Bedienbarkeit hilft zur Akzeptanz: Das humanzentrierte Design vom Nutzer aus, ein einfacher Zugang und die Benutzerfreundlichkeit der Technologie sind von entscheidender Bedeutung. Das Vertrauen in die Tools wird dabei zunehmend wichtig. Besonders bei KI sind vertrauensfördernde Maßnahmen wie Transparenz der Modelle, oder Prüfung von möglichem Bias wichtig.
SAP bietet hier kostenfreie Tools und Lernangebote, Communities zum Austausch sowie Organizational Change Management Services an wie den datengestützten Deep Transformation Insights Service.
Die wichtigsten KI-Investitionen sind derzeit neben Automatisierung zur Erzielung von höherer Produktivität und Kosten-Effizienz die Umschulung oder das Upskilling.
Neben Grundlagen geht es dabei immer um den Einsatz von generativer KI im jeweiligen Arbeitsalltag und Job. Für die Grundlagen bieten sich E-Learning-Angebote an. Einige Inhalte sind auch kostenfrei, zum Beispiel über das HPI oder den KI-Campus. Für wichtige Zielgruppen wie Software-Entwicklung, F&E oder IT werden oft auch spezielle firmeninterne Akademien aufgebaut.
Da das Ziel des Upskilling immer Handlungskompetenz und die konkrete Umsetzung ist, sollte KI Training über Grundlagen hinaus gehen, Üben, Ausprobieren, Reflektieren beinhalten und im Austausch mit anderen stattfinden. Mögliche Methoden sind dabei Workshops oder Hackathons, in denen an relevanten Herausforderungen gearbeitet wird. Im LernOS Framework gibt es zudem einen KI-Leitfaden. Dieser Leitfaden strukturiert eine selbstgesteuerte Lernreise von Kleingruppen mit Input und Übungen rund um KI. Damit kann das Lernen am Arbeitsplatz und der Austausch einfach und relativ kostenneutral realisiert werden.
SAP-KI-Produkte kann man über SAP Learning Hub oder SAP Schulungen lernen. Derzeit gibt es bereits 59 kostenfreie Lerninhalte zu „Artificial Intelligence“.
Exkurs: Einsatz von KI im SAP Produkt Training
Ein weiteres Einsatzfeld ist das Training in SAP Produkten und Technologien. Jedes Jahr lernen Millionen von SAP Kunden, Mitarbeiter oder Partner neue Skills.
Dabei kann unterschieden werden zwischen
Weitere Themen wie die weitere Digitalisierung von Lern-Services sind vorstellbar. Erste Piloten zeigen, dass es dabei nicht ein einzelnes Tool gibt, sondern eine hybride, sich stetig erweiternde Landschaft. Gerade wenn es um neues Wissen geht wie im Produkt-Training, das noch kein KI Sprachmodell kennen kann, ist die Stärke von KI die Unterstützung und Augmentierung von Experten in der Lernmittel-Produktion. Dabei können strukturierte Metadaten und Grounding-Techniken helfen, damit die KI weniger halluziniert.
Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von KI für SAP Endnutzer: So können Lerninhalte und Dokumentation für SAP Produkte per Click im SAP Enable Now Werkzeug automatisiert übersetzt werden und entweder in der Software selbst über einen sogenannten Companion abgerufen werden, oder über zentrale Wissensdatenbanken. Weitere Möglichkeiten generativer KI sind in Planung – wobei die Grenzen zwischen Lernen und Software-Nutzung zunehmend verschwimmen – die KI ist dann Performance Support.
Neben dem technischen ‚low‘ und ‚high touch‘ Support bei der Einführung kommt der laufenden Beratung eine Schlüsselrolle zu, auch über den klassischen Projekt-Lebenszyklus hinaus. Da KI bei SAP-Produkten eingebettet ist von HCM bis SCM oder BTP bietet sich Unterstützung in der Cloud als Support Abo mit SAP Preferred Success an oder in der private Cloud mit SAP Cloud Application Services.
Um Vertrauen zu fördern und Missbrauch zu vermeiden, sollte die Nutzung von KI im Unternehmen immer entlang ethischer Grundsätze und Leitlinien laufen – die konkret operationalisiert werden müssen. Dabei sollte man dann beispielsweise bestimmen,
Zum technischen Support gehören auch Werkzeuge wie Digitale Adoption Plattformen (wie SAP Enable Now oder Walkme), Plattformen für Prozessmanagement & Analyse, zur Zusammenarbeit und Kommunikation (Wikis, Foren etc.) sowie Tools zur Befragung und zum entsprechenden Reporting.
Dieser Beitrag kann das Thema der Adoption von KI/AI nur anreißen. Es wird hoffentlich die Diskussion motivieren, warum und wie wir über die rein technische Einführung hinaus den Erfolg dieser wichtigen Veränderung in unserer Zeit sicherstellen können.
Früher oder später werden die meisten Wissensarbeiter KI Tools für mehr Produktivität oder Kreativität nutzen. Ob spezielle Tools oder die sogenannten Co-Piloten, die in bestehenden Softwares wie Microsoft Office eingebunden sind. Es wird also Aufgaben, Rollen, Prozesse und Jobs verändern. Damit wird es auch das Design bzw. Re-Design von Organisationen beeinflussen. Neben den üblichen Kriterien wie Erwünschtheit, Machbarkeit und Rentabilität sind sinnvolle Kriterien auch, wie digitalisierbar, automatisierbar und kostenintensiv Aufgaben sind.
Ich versuche immer bei Innovationen die eigene Adoption selbst auszuprobieren. So nutze ich KI für:
Neben dem allgemeinen Verständnis und Kenntnis verschiedener Tools ist dabei die Kompetenz des Prompt Engineerings hilfreich, Austausch mit Gleichgesinnten und Teilen von Good-Practices & Templates. Zudem ist es hilfreich, erweiterte Techniken des Prompt-Engineering wie zum Beispiel Chaining oder Multi-prompting zu erlernen. Die menschliche Sprache ersetzt zwar Programmiersprache, jedoch gibt es dazu Methoden und Good Practices die im Sinne einer Chatbot-Kompetenz helfen.
Durch die dynamische Entwicklung im Feld der KI wird Adoption, Akzeptanz, Upskilling und mehr wie beschrieben für WissensarbeiterInnen über 2024 hinaus relevant sein.
Weiter zu erörtern sind regulative, technische und ethische Fragen, die das Thema Adoption auf eine gesellschaftliche Ebene heben.
Es zeigt zudem, dass wir in einem Relaunch unserer früheren Blogparade noch einmal einige Beiträge speziell dem Thema KI-Adoption widmen sollten. Wer Interesse hat, meldet sich gerne!
Ohne den Fokus auf den Menschen werden KI-Einführungen nicht nur weniger erfolgreich sein – sie können sogar schädlich sein. Lasst uns das verhindern und an einer humanzentrierten Nutzung von KI gemeinsam arbeiten.
Unser Podcasts zum Thema KI in der Weiterbildung https://podcast.opensap.info/educationnewscast/
Newsletter rund um generative KI in der Bildung von MIT Professor E. Mollick
Blog: Warum Digital Adoption für den Erfolg von SAP-Projekten so wichtig ist (und wie sie gelingt)
Kurs: AI Ethik bei SAP: https://open.sap.com/courses/aie1-1
LernOS Leitfaden für KI https://cogneon.github.io/lernos-ai/de/
Harvard Business Review (2023). Reskilling in the Age of AI
Where Should Your Company Start with GenAI? (HBR, 2023)
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